
„Die verschwiegene Frau – und was das Schweigen über uns sagt“
Liebe Freunde,
manchmal sagt die Bibel etwas nicht –
und gerade dadurch sagt sie sehr viel.
Heute geht es um eine Frage,
die viele seit Jahrhunderten beschäftigt,
aber die Kirche nie offen gestellt hat:
War Jesus verheiratet?
Und bevor jemand erschrickt:
Nein, wir wollen nicht spekulieren,
sondern die Schrift ernst nehmen,
denn sie ist – wie Jesus sagt –
Geist und Leben.
Wenn wir das heutige Evangelium lesen,
Markus 10, die Verse 1 bis 12,
dann fällt etwas auf:
Die Pharisäer fragen Jesus nach Scheidung.
Nach Ehebruch.
Nach Trennung.
Und ich frage mich:
Warum fragt man einen Mann,
der – nach kirchlicher Tradition – unverheiratet war?
Eine Versuchung wäre das nicht gewesen.
Er hätte ja einfach sagen können:
„Ich bin nicht verheiratet, das betrifft mich nicht.“
Aber er tut es nicht.
Er antwortet als Rabbi.
Als jemand, der die Tiefe der Ehe kennt.
Als jemand, der weiß,
was zwei Menschen zu einem Fleisch macht.
Und hier beginnt die Bewegung.
Denn die Bibel sagt nirgends,
dass Jesus unverheiratet war.
Das war späteres Interesse.
Späteres Dogma.
Spätere Konstruktion.
Die Schrift schweigt.
Und manchmal ist Schweigen lauter als Worte.
Später, in den Gemeinden des ersten und zweiten Jahrhunderts,
taucht ein Text auf,
den man nicht in den Kanon aufgenommen hat.
Ein Evangelium,
das zu frei war.
Zu klar.
Zu wenig kontrollierbar.
Das Evangelium der Maria.
Darauf steht kein Name eines Kirchenvaters,
keine Fußnote,
die den Text entschärft.
Da spricht eine Frau,
die Jesus nahe war.
Maria Magdalena.
Die treu war,
wenn die Jünger flohen.
Die weinte,
wo andere diskutierten.
Die ihn erkannte,
als die Männer unsicher waren.
Und die – laut den frühen Gemeinden –
von Jesus selbst belehrt wurde.
Und man fragte sich damals:
Warum spricht diese Frau so?
Warum weiß sie so viel?
Warum ist sie die Erste am Grab?
Die Erste am Weg.
Die Erste im Glauben.
Und die Antwort war zu gefährlich.
Zu nah.
Zu menschlich.
Also hat man den Text hinausgeschoben.
Nicht weil er falsch war,
sondern weil er unbequem war.
Liebe Freunde,
wir müssen nicht behaupten,
dass Jesus verheiratet war.
Wir müssen nicht beweisen,
dass Maria seine Frau war.
Aber wir dürfen annehmen,
dass Jesus kein weltfremder Asket war.
Kein kalter Mönch.
Kein zölibatärer Sonderling.
Sondern Mensch.
Voller Leben.
Voller Beziehungen.
Voller Menschlichkeit.
Und wenn wir die Schrift ernst nehmen,
dann sehen wir:
Die Kirche hat jahrhundertelang versucht,
diesen Jesus zu verengen.
Aber Gott verengt nicht.
Er weitet.
Und das Evangelium weitet uns heute,
indem es sagt:
„Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht trennen.“
Vielleicht meint Jesus damit mehr,
als Mann und Frau.
Vielleicht meint er:
Trennt nicht die göttliche Wahrheit
von der menschlichen Wirklichkeit.
Trennt nicht das Herz vom Glauben.
Trennt nicht das Leben von der Liebe.
Trennt nicht Jesus vom Menschsein.
Denn der Weg zu Gott
führt nicht über Mauern,
sondern über Menschlichkeit.
Über Maria.
Über dich.
Über mich.
Und das ist die Botschaft von heute:
Nicht, ob Jesus verheiratet war,
sondern dass er Mensch war –
und dass Gott den Menschen nicht trennt,
sondern verbindet.
Darum lebt das Wort.
Amen.
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